Der neue Ferrari Roma - Fahrbericht

Es ist Ende Oktober, der Lockdown steht bereits vor der Tür und wir stellen uns auf eine ruhige Zeit ein. Doch dann kommt Ferrari recht spontan auf die Idee, bei Gohm in Böblingen ihren neusten viersitzigen GT für eine Probefahrt bereitzustellen – den Ferrari Roma. Wir zögern nicht und folgen der Einladung der Motorworld Region Stuttgart zur Ferrari Driving Experience. 

 

Unter strengen Hygienevorschriften werden wir freundlich empfangen. Im Showroom erhaschen wir schon mal einen kurzen Blick auf den neuen Boliden, während wir uns mit der Gruppe in den Präsentationsraum nebenan begeben. Nach einer kurzen Vorstellung folgt direkt das Imagevideo für den Ferrari Roma – „La Nouva Dolce Vita“, der „unbeschwerte vergnügliche Lebensstil im Rom der 1950er und 60er Jahre“ laut Ferrari. Darauf folgt die Einweisung in die richtige Handposition am Lenkrad und die perfekte Ideallinie auf der Rennstrecke. Sehr passend dazu sind die ersten englischen Worte meines italienischen Instruktors, welcher gleich die zwei Gesichter des Romas hervorhebt – das entspannte Cruisen auf der einen, den reinrassigen Sportwagen auf der anderen Seite.

Wir verlassen den Raum und stehen direkt vor den fünf direkt aus Maranello hergebrachten Romas, alle in verschiedenen Farben und Ausstattungen. Meiner ist in der Farbe „Blu Roma“ lackiert, angelehnt an den Nachthimmel über Rom. Beim ersten Blick auf den Wagen kommt mir direkt eine Mischung aus Aston Martin DB11 und McLaren in den Kopf. Doch je länger man ihn betrachtet, desto klarer zeigt sich ein eigenständiges Design. Vergeblich versuche ich einen direkten Vorgänger zu nennen, als ich meine Gedanken zum Design äußern soll – denn es gibt keinen. Man könnte jetzt den Portofino als offenen Vorgänger nennen, aber so einfach ist das nicht, denn laut Ferrari sind beim Roma etwa 70 % der Teile neu.

 

Die gelben Wappen mit dem Cavallino Rampante auf den Kotflügeln muss man als Extra wählen, ohne diese befindet der Roma von der Seite fast im Tarnmodus. Und genau das ist laut meinem heutigen Beifahrer das Ziel, der Ferrari soll nicht sofort als einer erkennbar sein, sondern erst mit seinem Design begeistern und auf den zweiten Blick als Ferrari identifiziert werden.

 

Ich öffne die Tür und erblicke ein für mich bei einem Ferrari unbekanntes Interieur. Klar, aufgeräumt, stilvoll und modern, mit einer vollflächigen Instrumententafel und einem großen Touchscreen im Zentrum.

Auf den ersten Kilometern folgt eine Flut an Informationen zum Touchsystem am Lenkrad und in der Mitte, den ganzen Comfort-Funktionen, Fahrmodi, Anzeigeeinstellungen, Individualisierungen, Klimaeinstellungen, Sitzverstellungen und allen anderen Funktionen, dass ich mich kaum noch auf das Fahren konzentrieren kann und fast den nächsten Blitzer mitgenommen hätte.

 

Schluss damit. Wir sind auf einer ruhigen Landstraße außerorts, jetzt wird gefahren – Sportmodus, Schaltung auf Manuell, 1. Gang, 3000 U/min, Vollgas. Es folgt tierischer Vortrieb, welcher mangels Schaltanzeige wenige Augenblicke später für einen kurzen Moment vom Begrenzer unterbrochen wird, bevor ich an der rechten Wippe ziehe und das pfeilschnelle 8-Gang Getrag-Getriebe den nächsten Gang einlegt. Jeder Befehl wird fast ohne Verzögerung übernommen, selbst mehrfaches Hoch- oder Runterschalten. Im Sportmodus ist mir der Gangwechsel etwas zu ruckig, der Comfort-Modus macht das besser.

Darunter eine angedeutete H-Kulisse, welche die Schalter für die verschiedenen Getriebeoptionen beinhaltet. Dazu das optionale Display für den Beifahrer, mit welchem er gewisse Funktionen steuern kann, wie zum Beispiel das Audiosystem.

 

Ich nehme Platz im bequemen, voll einstellbaren Sitz. Vergeblich suche ich den roten Startknopf am Lenkrad. Es gibt im Roma außerhalb des Lenkrads bis auf das Getriebe und die Fensterheber keine „echten“ Schalter, Hebel oder Knöpfe mehr, was auf mich als Oldtimer-Enthusiast etwas befremdlich wirkt.

 

Endlich finde ich doch noch die etwas unauffällige Touch-Fläche unter dem Ferrari-Logo mit der Aufschrift „Engine Start/Stop“. Zwei Mal gedrückt (leider ohne haptisches Feedback) und der 3,9 Liter V8-Biturbo erwacht zum Leben. Nicht mit einem Getöse, wie es viele der italienischen Modelle gerne machen, sondern mit einem souveränen, dumpfen Sound.

Im Rückspiegel fährt auf einmal mahnend der Spoiler aus und erinnert an die geltenden Tempolimits. Toll dosierbare Bremsen (Keramik serienmäßig) sorgen für die nötige Verzögerung und eine längere Verweildauer meines Führerscheins in meiner Tasche.

 

Der Motor stammt aus der 3,9 Liter V8-Biturbo Familie, welche seit 2016 den Award "International Engine of the Year" gewonnen hat. Zuerst war es der Motor aus dem Ferrari 488 GTB mit 669 PS, später der aus dem F8 Tributo mit 720 PS und zuletzt in gezähmter Form aus dem GTC4 Lusso T mit 610 bzw. dem Portofino mit 620 PS, welcher nun auch seinen Einzug in den Roma gefunden hat.

 

Die angegebenen 3,4 Sekunden von 0 auf 100 glaube ich ihm sofort. Selbst bei etwa 1500 U/min liegt die Kraft ohne wirkliches Turboloch direkt an. Dies erweckt teilweise den Eindruck, man hätte es hier mit einem urtümlichen Saugmotor mit deutlich mehr Hubraum zu tun. 

Das von 3000 bis fast 6000 Umdrehungen voll anliegende Drehmoment sorgt für gut kontrollierbare Ausbrüche des Hecks, welche von der Elektronik bei Bedarf elegant aufgefangen werden, mal mehr mal weniger, je nachdem welcher Fahrmodus mit dem „Manettino“ am Lenkrad ausgewählt wird. Zur Wahl stehen Wet, Comfort, Sport, Race und ESC Off – die letzten beiden darf ich heute leider nicht ausprobieren.

 

Nachdem ich das sportliche Gesicht des Roma erfahren habe, ist es nun an der Zeit, den GT zu erleben. Mit dem Manettino auf Comfort, dem Getriebe auf Automatik, der Sitzheizung an und entspannter Musik aus dem Radio geht es weiter über Landstraßen und durch Ortschaften. Dabei fällt auf, dass der Auspuff keine Klappe hat, sondern in jedem Modus bassig sein Konzert von sich gibt. Ob das auf längeren Strecken irgendwann störend wird? Weiß ich nicht, in der knappen Stunde Fahrzeit habe ich es noch genießen können. Der Federungskomfort des adaptiven Fahrwerks ist zumindest für die teilweise durchwachsenen deutschen Straßen absolut ausreichend. Wie es auf den teils abenteuerlichen Belägen, zum Beispiel in Italien sein wird, ist eine andere Frage. Im Sport-Modus gibt es außerdem einen Modus für schlechte Straßen, welcher der Härte des Comfort-Modus entspricht.

Von den vier Sitzen sind die beiden hinteren lediglich als Gepäckablage verwendbar, was das Beladen von längeren Gegenständen wie zum Beispiel von Skiern oder Golfbags erlaubt.

 

Das entspannte Fahren halte allerdings ich nicht lange durch, das Getriebe stelle ich wenig später wieder auf manuell und lausche der schönen Drehzahlorgie. In den Kurven vermisse ich dann doch direkt am Lenkrad befestigte Schaltwippen, in der 90°-Stellung muss man immer eine Hand vom Lenkrad nehmen, was beim sportlichen Fahren eigentlich ein Unding ist. Zum Rangieren in Manuell hingegen sind die festen Wippen ein Segen, wie ich bei der Ankunft auf dem Parkplatz von Ferrari Gohm erleben durfte, als ich ohne zu überlegen direkt an der richtigen Wippe gezogen habe.

 

Das Fazit:

Der Ferrari Roma zieht mit seinem für die italienische Traditionsmarke ungewohntem Design sicherlich einige Neukunden an Land, die vorher eher bei gewissen britischen Marken zuhause waren. Zwar ist er weder ein purer GT noch ein reinrassiger Sportwagen, dennoch bietet er Langstreckenkomfort und rennstreckentaugliche Fahreigenschaften gepaart mit einem hervorragenden Interieur und modernsten Funktionen in einem eleganten Kleid. Ob einem dies der Basispreis von gut 195.000 € Wert ist, sollte jeder selbst bei einer Probefahrt beurteilen.

 

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